Lea Ypi rechnet ab mit Geschichte und Gegenwart – von Lily Lynch

Shownotes

In ihrem neuen Buch »Aufrecht« stellt Lea Ypi anhand des Lebens ihrer Großmutter vor und während Albaniens Hoxha-Regime Fragen über Flucht und Überwachung, die unsere von Ungleichheit und digitaler Datensammlung geprägte Gegenwart in ein neues Licht rücken.

Artikel vom 29. Oktober 2025: https://jacobin.de/artikel/albanien-suhrkamp-aufrecht-lea-ypi-roman-hoxha-sozialismus-migration-flucht

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00:00:00: Lea IP rechnet ab mit Geschichte und Gegenwart.

00:00:05: In ihrem neuen Buch Aufrecht stellt Lea IP anhand des Lebens ihrer Großmutter vor und während Albaniens Hoxa-Regime Fragen über Flucht und Überwachung, die unsere von Ungleichheit und digitaler Datensammlung geprägte Gegenwart in ein neues Licht rücken.

00:00:33: Während des Kalten Krieges versuchten Menschen per Boot über den Skutari See aus Enver Hoxas, sozialistischer Volksrepublik Albanien zu fliehen.

00:00:43: Wenn sie Glück hatten und nicht ertranken, von Wachpatrouillen gefasst oder erschossen wurden, gingen sie in dem Dorf, in dem meine Freundin lebte, an Land, in Montenegro, damals Teil Jugoslawiens.

00:00:56: Die beiden Staaten nahmen in der kommunistischen Welt diametral entgegengesetzte Positionen ein.

00:01:02: Albanien schottete sich extrem ab, während Jugoslawien seit Titus Bruch mit Stalin im Jahr nineteenhundertachtundvierzig das offenste kommunistische Land war.

00:01:13: Der rote jugoslawische Pass, auch heute noch Quell unzähliger jugonostalgischer Erinnerungen der Babyboomer Generation, ermöglichte visumfreies Reisen in mehr als hundert Ländern der Welt.

00:01:26: Die Exzentrizitäten der damaligen albanischen Führung sind bekannt.

00:01:31: Im Prinzip verbot.

00:01:32: der weltweit erste offiziell ateistische Staat, bärtige Besucher, Amerikaner und Gott, wie ein damaliger Beobachter zusammenfasste.

00:01:41: Landesflucht galt als Verrat.

00:01:43: Wer gefasst wurde, konnte sich glücklich schätzen, wenn er mit harter Zwangsarbeit davon kam.

00:01:49: Die Geschichte meiner Freundin aus Montenegro stammt aus einer vergangenen Zeit.

00:01:54: Doch sie ließ mich an aktuelle Schlagzeilen denken an die jüngsten Migrationsversuche.

00:02:02: erneut von albanischen Menschen und erneut mit kleinen Booten.

00:02:05: Allerdings nach Großbritannien.

00:02:08: Allein im Jahr year two thousand twenty-two überquerten rund zwölf tausend dreihundert Albanerinnen und Albaner den Ärmelkanal an Bord von kaum seetauglichen Schlauchbooten.

00:02:18: Sie riskierten ihr Leben, um die britische Küste zu erreichen.

00:02:22: Ich fragte mich, warum bringe ich diese gefährliche Überfahrt nicht sofort mit einer grausamen Ideologie in Verbindung?

00:02:30: Sicherlich spielen der globale Kapitalismus und Ungleichheiten eine große Rolle bei dieser aktuellen Form der Migration.

00:02:37: Aber warum geben wir Kapitalismus und Ungleichheit nicht mit gleicher vehemenz schuld, wie dem damaligen Autarken Kommunismus von Onkel Enver in Albanien?

00:02:47: Solche Fragen wirft Lea Üpiswerk bei den Leserinnen und Lesern immer wieder auf.

00:02:53: Üpi ist Professorin für politische Theorie an der London School of Economics.

00:02:57: Sie bezeichnet sich selbst als transgressive Kantianische Maxistin.

00:03:02: In einer Welt, in der die Rechte das Monopol auf Transgression für sich beansprucht.

00:03:08: Sie hat sich als seriöse Interpretin der deutschen Philosophie des neunzehnten Jahrhunderts einen Namen gemacht.

00:03:15: Aber auch zahlreiche Publikationen zum Maxismus und zu politischen Parteien veröffentlicht.

00:03:22: In Ypis letztem Buch, frei.

00:03:25: Erwachsen werden.

00:03:26: am Ende der Geschichte wirkte Hoxas Albanien wie ein Zerspiegel.

00:03:30: Gleichzeitig wurden die ideologischen Illusionen des Liberalismus deutlich.

00:03:35: Das Buch war ein internationaler Erfolg.

00:03:38: Es wurde fast überall begeistert aufgenommen und in fünfunddreißig Sprachen übersetzt.

00:03:43: In Albanien hingegen sorgte frei für Empörung.

00:03:47: Einige Kommentatoren beanstandeten, das Buch zeichne ein zu wenig düsteres Bild des Kommunismus.

00:03:53: Andere zeigten sich angewidert von der Anwesenheit von Premierminister Edi Rama.

00:03:59: Bei der Buchprämiere.

00:04:01: Letztere Kritik führte zu einer hitzigen Auseinandersetzung in der London Review of Books zwischen EP und ihrem Rezensenten und Grunter-Redakteur Thomas Meany.

00:04:11: Das fühlte sich an wie eine Rückkehr zu einer Zeit, in der die literarische Kultur noch größere Bedeutung hatte.

00:04:18: Im Sommer, im Jahr, im Jahr, ich hatte gerade drei Wochen in Albanien verbracht, Als mir nach der Rückkehr nach Serbien eine befreundete Professorin von der Universität Belgrad ein Taschenbuch in die Hand drückte.

00:04:34: Das musst du lesen, sagte sie zu mir.

00:04:37: Sie schwärmte von den Beschreibungen der westlichen Berater im Buch, die nach Albanien kamen, um Demokratie und Schocktherapie durchzusetzen, darunter eine besonders bemitleidenswerte Figur, die wegen des Lacoste-Logos auf ihren Hemden nur das Krokodil genannt wird.

00:04:54: Die in freigeschilderten Erfahrungen Albaniens mit dem Übergang zur Marktwirtschaft erinnerten meine Freundin an die eigenen Erlebnisse in Serbien.

00:05:03: Wir beide wurden zu lautstarken Verteidigern von ÖPI und diagnostizierten bei ihren Kritikern auf dem Balkan vor allem provincialen Neid.

00:05:12: In Städten wie Tirana und Belgrad ist die Herabwürdigung der Leistungen derjenigen, die im Ausland erfolgreich sind, ein Mittel zum Schutz des lokalen Marktplatzes auf dem die relative gesellschaftliche Position immer künstlich aufgebläht wird.

00:05:28: Somit ist es nicht verwunderlich, wenn Ypi erzählt, sie sei wegen frei mit Hasstiraden überzogen worden.

00:05:35: Ypis neues Buch.

00:05:37: Aufrecht.

00:05:38: Überleben im Zeitalter der Extreme ist eine Antwort auf diesen Hasst der Online-Trolle.

00:05:44: Vor einigen Jahren wurde sie darüber informiert, dass ein bisher unbekanntes Foto ihrer Großeltern im Internet aufgetaucht war.

00:05:51: Als sie das Bild fand, hatten die Trolle bereits mobilisiert.

00:05:56: Sie bezeichneten Ypis Großmutter Lehmann als Spionin und Kollaborateurin und Ypis selbst als Kommunistenschlampe.

00:06:08: Auf dem Schwarz-Weiß-Foto sind Ypis Großeltern während ihrer Flitterwochen, in einem Chalet in Cortina d'Ampezzo zu sehen.

00:06:17: Aufrecht beginnt genau mit diesem Foto.

00:06:20: Ypis ist irritiert.

00:06:22: Sie fragt sich, warum ihre Großmutter diesen Moment, mitten im Zweiten Weltkrieg, als den Glücklichsten ihres Lebens beschrieben hatte.

00:06:30: War sie den Ereignissen, die sich in Europa abspielten, gegenübergleichgültig?

00:06:35: Oder ahnte sie, dass dem jungen Brautpaar noch Schlimmeres bevorstehen könnte?

00:06:40: Großvater Aslan sieht auf dem Bild hingegen besorgt aus.

00:06:43: Was wusste er bereits?

00:06:45: EEP fragt sich auch, ob an den Kommentaren der Trolle etwas dran ist.

00:06:50: War ihre Großmutter wirklich eine Spionin?

00:06:53: Gab es da etwas an ihrer Großmutter, dass sie nicht wusste?

00:06:57: War sie eine Kollaborateurin?

00:07:00: Oder ertrug sie die ihr bevorstehenden Repressionen und Schrecken mit Würde?

00:07:04: Um diese Fragen zu beantworten, wendet sich Übi den Archiven der früheren kommunistischen Sicherheitspolizei Albaniens Sigurimi zu.

00:07:13: Auf dem Weg zur Behörde für Informationen über die Dokumentation des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, so der fantastisch bürokratische Name für die Archive, unterhält sich Ypi mit einem Taxifahrer, der in typischer Balkan-Manier gleichermaßen Prophet und Spinner ist.

00:07:33: Als sie ihm erklärt, dass sie die Akten der ehemaligen Geheimpolizei einsehen will, entgegnet er ihr So etwas wie eine ehemalige Geheimpolizei gebe es nicht.

00:07:45: Vielmehr sei diese immer noch aktiv und nie weg gewesen.

00:07:49: Diese Überzeugung kann nicht, ausschließlich, als Paraneuer abgetan werden.

00:07:54: In Albanien und Serbien gab es nach dem Sturz der Regime von Hoxha, beziehungsweise Milošević, keinerlei Aufklärungs- und Lustrationsprozesse.

00:08:05: Im Buch wird die Lebensgeschichte von Ypis Großmutter Lehmann nachempfunden.

00:08:09: Ihre Kindheit und Jugend beginnt in den letzten Jahren des Osmanischen Reiches und erstreckt sich bis in das erste Jahrzehnt des albanischen Kommunismus.

00:08:19: Lehmann wurde Ninzehnthundertachzehn in Salonika, dem heute griechischen Thessaloniki geboren.

00:08:25: Ihr Großvater Ibrahim Pasha wird im Buch als einer der engsten Berater des Sultans beschrieben.

00:08:32: Im Alter von achtzehn Jahren zieht Lehmann nach Tirana.

00:08:36: Ihr dortiges Leben als junge Erwachsene fällt mit dem sich anbahnenen Absturz Europas in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs zusammen.

00:08:44: IP versteht es, durch kleine Andeutungen, die das Kommende bereits ankündigen, ein Gefühl der Angst aufzubauen, während ihre Figuren noch im Unklaren bleiben.

00:08:54: Geschichte wird in erster Linie erlebt und erst von den Lesenden rückblickend verstanden.

00:08:59: Das Unvorstellbare bleibt für die Protagonisten unvorstellbar.

00:09:05: bis es tatsächlich eintritt.

00:09:08: Und als dann dieses unvorstellbare geschieht, glauben alle, dass es bald wieder vorbei sein wird.

00:09:16: In den Archiven fragt sich Ypi, ob und wie man das Überwachungssystem, das ihre Großmutter beschattete, mit den heutigen umfassenderen digitalen Kontrollsystemen vergleichen kann.

00:09:27: Letzteres sei allgegenwärtiger und effektiver.

00:09:30: Es verfolge nicht nur jede unserer Bewegungen, sondern motiviere uns auch dazu, unseren Standort, unsere sozialen Kontakte, Aktivitäten und sogar unsere persönlichen Geheimnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen.

00:09:43: Wozu muss man noch spionieren, wenn die meisten Menschen ihre persönlichen Daten so bereitwillig preisgeben?

00:09:53: Wie YPI weiter anmerkt, werden unsere persönlichen Daten auch dazu genutzt, uns Dinge zu verkaufen, wodurch wir zu bloßen Konsumenten degradiert werden.

00:10:03: Und das sei vielleicht sogar noch schlimmer.

00:10:06: Ypys Versuch, einen Vergleich zwischen diesen zwei Systemen anzustellen, mag man für leichtfertig oder oberflächlich halten.

00:10:13: Doch im Zeitalter von Palantir erscheint er durchaus gerechtfertigt.

00:10:18: Ypys schreibt, möglicherweise maß das System, dass Lehmans Entscheidungen beobachtete, ihrem Mensch sein Mehrbedeutung zu, als das System von heute dem Meinen beimisst.

00:10:30: Sie wird von ihren Zeitgenossen überwacht.

00:10:32: die sie beschatten, ihre Bewegungen verfolgen und ihren Aufenthalt lückenlos dokumentieren.

00:10:39: Ihre Gedanken sind von einem spezifischen Interesse, wogegen kein Unternehmen sich jemals für mich im Spezifischen interessieren wird.

00:10:47: Ich bin eine gesichtslose Konsumentin, ein Rädchen in einer Datensammelmaschine, eine Profitquelle.

00:10:54: Sie wird immer noch von einem anderen Menschen als Mensch anerkannt.

00:10:58: Trotz des Machtgefälles.

00:11:00: Trotz der Manipulation und trotz der Kontrolle bleibt sie ein Selbstzweck, ein Subjekt, dem man seine Würde niemals restlos nehmen kann.

00:11:09: Ypis Familie gehört zur Elite, ja sogar zum Adel.

00:11:13: Fragen zu Klassenunterschieden und den eigenen Privilegien schwingen daher stets mit.

00:11:18: Ihre Großmutter lernte schon als Kind französisch, hatte Kindermädchen und traf ihren Ehemann Aslan auf der Hochzeit von König Zog erster von Albanien.

00:11:28: Ypis Großvater Exhafer war in den frühen, nineteenhundertzwanziger Jahren Premierminister des Landes und während des faschistischen italienischen Protektorats, kurzzeitig, Minister.

00:11:41: Die Figuren in Aufrecht entstanden einem engen Zirkel, einem sozialdemokratischen Adel.

00:11:47: Obwohl hin und wieder einige radikale Ansichten vertreten werden, ist der eigene Horizont letztlich durch ihren Status begrenzt.

00:11:55: Sie wünschen sich ein humaneres System.

00:11:57: möchten aber vermutlich auch ihre privilegierte Position darin behalten.

00:12:02: Fabrikarbeiter sollen ein würdigeres Leben führen, aber nicht so weit gehen, die bestehende Ordnung zu stürzen.

00:12:09: An keiner Stelle sind die Klassenunterschiede deutlicher zu spüren, als in dem Moment, in dem Ypis Großeltern in einem Café auf den jungen Enver Hoxa treffen.

00:12:19: Er ist genauso alt wie sie, stammt jedoch aus einer niedrigeren sozialen Schicht.

00:12:25: Stalin soll ihn in Gesprächen mit einer Delegation aus Belgrad einst abwertend als Kleinbürger bezeichnet haben.

00:12:34: Ypi beschreibt Hoxa als jemanden, dessen Politik von ressentiments gegenüber gesellschaftlich höher gestellten geprägt ist.

00:12:42: Während des Treffens erinnert sich Hoxa daran, dass Aslan ihm einmal angeboten hatte, die Miete des jungen Hoxa in Paris zu bezahlen, wo sie beide studierten.

00:12:52: Während Hoxa gerade sein Stipendium verloren hatte, musste sich Aslan offensichtlich keine Sorgen um finanzielle Dinge machen.

00:12:59: Hoxa war verärgert.

00:13:01: Er lehnte das Angebot ab, zahlte seine Miete nicht und sprang auf der Flucht vor dem Vermieter aus dem Fenster, wobei er sich verletzte.

00:13:11: Die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Männern sind, wie Ypi andeutet, eine Folge dieser Klassenunterschiede.

00:13:19: Hoxa beklagt, Ypis Großvater interessiere sich lediglich für Reformen.

00:13:24: Er wolle das bestehende System nicht zerschlagen, sondern ist nur ein wenig aufbessern.

00:13:29: Hoxa hingegen will es zerstören.

00:13:32: Diese Darstellung ist natürlich etwas voreingenommen.

00:13:35: IP schreibt mit den Schrecken von Hoxas Albanien im Hinterkopf.

00:13:39: Es fällt schwer, in ihren Argumenten nicht ein, wenn auch Widerwilliges, Befürworten des Erhalts des reaktionären Status quo zu sehen, anstatt revolutionäre Veränderungen zu riskieren.

00:13:52: Beim Lesen musste ich zu meiner eigenen Bestürzung feststellen, dass ich mit dem jungen Hoxa irgendwie sympathisiere.

00:13:59: Es scheint fast, dass er zu Verbrechen und Intrigen greifen muss, um sich das zu sichern, was Übis Familie aufgrund ihrer Klasse von Geburt an hatte.

00:14:08: In den späteren Kapiteln muss dieses erste Gefühl revidiert werden.

00:14:13: Dort beschreibt Übis das Schicksal ihrer Großeltern einige Jahre später.

00:14:18: Unter Hoxas Herrschaft werden sie zu Klassenfeinden.

00:14:22: Aslan gerät bald in Verdacht, weil er während des Krieges Verbindungen zu britischen Offizieren in Tirana unterhielt, die im Hawkshaar Jagong stets als Angloamerikaner bezeichnet werden.

00:14:34: Tatsächlich sagt ein britischer Beamter in den letzten Wochen des Krieges zu Aslan.

00:14:40: Wir haben die Gründung einer sozialdemokratischen Partei durch integre Menschen aktiv unterstützt, durch Individuen, die sich den Kommunisten aus moralischer Stärke heraus entgegenstellen können.

00:14:53: Leute wie sie, die niemand der Kollaboration verdächtigen würde.

00:14:58: Den Akten zufolge verdächtigt die Geheimpolizei Lehmann auch der Spionage für Griechenland, da sie in Salonika geboren und aufgewachsen ist.

00:15:07: Aslan wird inhaftiert.

00:15:08: Hoxa beginnt mit der Hinrichtung diverser Mitglieder der intellektuellen Elite.

00:15:14: Darunter einige seiner ehemaligen Klassenkameraden.

00:15:18: Zu den von Säuberungen betroffenen gehört Sabiha Kasimati.

00:15:22: Professorin für Biologie und eine der ersten Wissenschaftlerinnen Albaniens.

00:15:27: Sie wird... zusammen mit einundzwanzig weiteren Intellektuellen hingerichtet.

00:15:36: IP schreibt... Mit wem willst du, wenn du alle Intellektuellen ermorden lässt, deinen Staat bauen?

00:15:53: Mit Blechschmieden und Schuhmachern.

00:15:55: Hoxa antwortet ihr, ich rate dir weniger Texte der Aufklärung zu lesen und mehr von Marx und Lenin.

00:16:05: Zeitgleich werden Lehmann und ihr kleiner Sohn Zafo aus Tirana deportiert.

00:16:10: Sie kommen nach Kavaye, einer Kleinstadt im albanischen Hinterland.

00:16:14: Für Lehmann ist es ein absoluter Tiefpunkt.

00:16:17: Sie wird Hilfsarbeiterin zur Instandhaltung von Bewässerungskanälen.

00:16:22: in einem nahegelegenen Dorf.

00:16:24: Dort muss sie unter der Aufsicht einer zehn Jahre jüngeren Frau Erde schaufeln.

00:16:29: Wieder einmal drängen sich unbequeme Fragen zum Thema Klasse auf.

00:16:34: Ypis, Intellektuelle, mögen, egalitäre oder teils sogar sozialistische Ansichten vertreten.

00:16:41: Aber sie lehnen auch eindeutig Vorstellungen wie die Vladimir Lenins ab, dass jede Köchin den Staat verwalten könne.

00:16:49: Sie sind überzeugt, dass ihr rechtmäßiger Platz in der Gesellschaft ganz oben an der Spitze in der Elite ist.

00:16:57: Während wir beobachten, wie Ypis Familie von dieser Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie stürzt, müssen wir auch unsere eigenen Annahmen darüber hinterfragen, wer zur Elite gehören und wer den Staat führen sollte.

00:17:11: Die Archive zu den kommunistischen Geheimpolizeien Ost und Mitteleuropas können eine wahre Goldgrube für Autorinnen und Autoren jeglicher Kulör sein.

00:17:21: Antonio Gramsci, der übrigens albanische Wurzeln hatte, beschrieb schon vor einem Jahrhundert in den Gefängnisheften, warum Archive hilfreich sind.

00:17:31: Der Anfang der kritischen Ausarbeitung ist das Bewusstsein dessen, was wirklich ist.

00:17:36: Das heißt ein erkennendig selbst als Produkt des bislang abgelaufenen Geschichtsprozesses, der in einem selbst eine Unendlichkeit von Spuren hinterlassen hat, übernommen ohne Inventarvorbehalt.

00:17:49: Als Ausgangspunkt für kritische Überlegungen müsse also ein Überblick geschaffen werden.

00:17:54: Ein solches Inventar gilt es zu Anfang zu erstellen.

00:17:58: Für Gramsci ist eine Bestandsaufnahme der Vergangenheit, eine Voraussetzung für die Gestaltung der Zukunft.

00:18:04: In dieser Sicht ist es nicht verwunderlich, dass der Balkan heute unter Massenabwanderung und einem chronischen Gefühl der Stagnation leidet.

00:18:13: Das Fehlen einer gemeinsamen Geschichtsauffassung macht es unmöglich, etwas Neues aufzubauen.

00:18:20: Ypis Buch ist ein Beitrag gegen dieses Versäumnis.

00:18:24: Aufrecht tut jedoch mehr als ledigliche Ereignisse der Vergangenheit aufzuzählen oder in die richtige Reihenfolge zu bringen.

00:18:31: Ypis irritierende Fragen zwingen uns, unsere eigenen Annahmen über die Gegenwart zu überdenken.

00:18:38: Während sie uns durch die Geschichte ihrer Familie im zwanzigstes Jahrhundert führt, wird deutlich, dass der klare Bruch den wir gerne mit der Vergangenheit vollzogen zu haben glauben, eine Illusion ist.

00:18:52: Die Geschichte entfaltet sich immer noch und offenbart sich uns langsam, manchmal fast unmerklich, mit kleinen Zeichen.

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