Schon die Herrscher des antiken Roms fürchteten den Protest – von Sarah Bond

Shownotes

Angriffe auf die Versammlungsfreiheit haben eine lange Tradition. Im antiken Rom versuchten Herrscher über Jahrhunderte hinweg, jede Organisierung der Bevölkerung zu verhindern – gelungen ist es ihnen nie.

Artikel vom 14. September 2025: https://jacobin.de/artikel/rom-antike-protest-organisierung-repression-demonstration-monilisierung

Seit 2011 veröffentlicht JACOBIN täglich Kommentare und Analysen zu Politik und Gesellschaft, seit 2020 auch in deutscher Sprache. Die besten Beiträge gibt es als Audioformat zum Nachhören. Nur dank der Unterstützung von Magazin-Abonnentinnen und Abonnenten können wir unsere Arbeit machen, mehr Menschen erreichen und kostenlose Audio-Inhalte wie diesen produzieren. Und wenn Du schon ein Abo hast und mehr tun möchtest, kannst Du gerne auch etwas regelmäßig an uns spenden via www.jacobin.de/podcast.

Zu unseren anderen Kanälen: Instagram: www.instagram.com/jacobinmagde X: www.twitter.com/jacobinmagde YouTube: www.youtube.com/c/JacobinMagazin Webseite: www.jacobin.de

Transkript anzeigen

00:00:00: Schon die Herrscher des antiken Roms fürchteten den Protest.

00:00:05: Angriffe auf die Versammlungsfreiheit haben eine lange Tradition.

00:00:08: Im antiken Rom versuchten Herrscher über Jahrhunderte hinweg, jede Organisation der Bevölkerung zu verhindern.

00:00:15: Gelungen ist es ihnen nie.

00:00:33: ACLED-Projekts, war der Juni- Twenty-Fünfundzwanzig beispielsweise der Monat mit den zweitmeisten Demonstrationen in der Geschichte der USA, nur übertroffen vom Juni- Twenty-Zwanzig, der Höhepunkt der Black Lives Matter-Mobilisierung.

00:00:49: Die USA sind bei Weitem nicht das einzige Land, in dem in großem Umfang mobilisiert wurde.

00:00:55: Wie der Global Protest Tracker zeigt, gab es in den vergangenen zwölf Monaten in einer Reihe von Ländern von Großbritannien über die Türkei bis nach Bangladesh, einhundertfünfzig signifikante Proteste gegen die jeweiligen Regierungen.

00:01:09: So wie die Zahl der demonstrierenden Menschen steigt, kommt es auch zunehmend zu neuen Einschränkungen und Repressionen, mit denen das Recht auf friedliche Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird.

00:01:22: Sei es Donald Trump, der US-Universitäten drohte, als diese seine Ansicht nach illegale Proteste zuließen, bis hin zu Massenverhaftungen von Menschen in London, die sich für Palestine Action einsetzen oder Repressionen in Deutschland.

00:01:36: Regierungen erschweren es demonstrierenden zunehmend ihre bürgerlichen Freiheiten auszuüben.

00:01:42: Auseinandersetzungen um die Versammlungsfreiheit sind allerdings keine neue Entwicklung.

00:01:47: Tatsächlich finden wir einen interessanten Präzidenzfall in der Geschichte des antiken Roms, wo die Angst vor Volksprotesten den Staat über mehrere Jahrhunderte hinweg beschäftigte.

00:01:59: Patrizia und Plebeia.

00:02:02: Nach der Gründung Roms durch Romulus im Jahr sevenhundertdreiundfünfzig vor Christus hatte die Stadt sechs weitere Könige.

00:02:10: Mit einem Volksaufstand unter der Führung eines legendären Mannes namens Lucius Junius Brutus wurde der Letzte dieser Könige, Tarquinius Superbus gestürzt.

00:02:20: Rom wurde fünfhundertneun vor Christus zur Republik, zur Republik.

00:02:25: Doch das Ende der Könige war nicht gleich bedeutend mit einem Ende der gesellschaftlichen Konflikte.

00:02:30: Bereits nach fünfzehn Jahren kam es zu Differenzen zwischen den Patriziern und den Plebejern.

00:02:36: Erstere waren eine kleine Gruppe, die aus den ersten Gründerfamilien Roms bestand.

00:02:41: Sie hielten ein Monopol auf den Senat, die Konsulen und die meisten anderen öffentlichen und religiösen Machtpositionen.

00:02:49: Die Plebeja stellten hingegen die Mehrheit der Bevölkerung und setzten sich aus Bäuerinnen, Handwerkern und anderen Schichten zusammen, die nicht zum Senatsadel gehörten.

00:02:58: Aus Unzufriedenheit über die Schuldknechtschaft und den Militärdienst leisteten die Plebeja bald kollektiven Protest.

00:03:05: Sie verließen Rom und versammelten sich auf dem sogenannten Heiligen Berg, Monsaza, einige Kilometer vor den Toren der Stadt.

00:03:13: Diese Versammlung wurde bekannt als Secesio plebis, dem Ausmarsch der plebeja.

00:03:19: Nach Verhandlungen mit den Patrizian kehrten die plebeja schließlich in die Stadt zurück und erhielten bessere Repräsentationen in öffentlichen Stellen sowie einen Schuldenerlass.

00:03:29: Die Unzufriedenheit hielt jedoch an.

00:03:32: Im Jahr forty-fünfzig vor Christus kam ein kleiner Rat aus patriezischen Gesetzgebern zusammen, um eine Reihe von Regeln zu kodifizieren, die später als die Zwölftafel-Gesetze bekannt wurden und öffentlich im Forum Romanum ausgehängt werden sollten.

00:03:47: Unzufrieden mit der Arbeit des Gremiums und verärgert über den kürzlichen Tod einer Plebejerin namens Virginia, protestierten die Plebejer in der Stadt und zogen erneut aus, diesmal auf den Aventin im Süden Romes.

00:04:00: Die Patrizia im Rat erstellten schließlich zwölf Tafeln, die im Jahr fourhundertundvierzig veröffentlicht wurden.

00:04:07: Ein späterer Jurist namens Gaius hielt fest, dass auf der achten Tafel den Kollegia, Gruppen, die oft zu religiösen, beruflichen oder politischen Zwecken gebildet wurden, ihre eigenen Regeln erlassen durften, sofern diese nicht gegen das öffentliche Recht verstießen.

00:04:23: Eine andere Quelle weist derweil darauf hin, dass es den Menschen verboten war, sich nachts zu versammeln.

00:04:29: Dieses Gesetz scheint das Misstrauen der Patrizier gegenüber Berichten wiederzuspiegeln, wonach die Plebeer nächtliche Versammlungen abhielten, um erneute Abspaltungen und Boykott-Maßnahmen zu planen.

00:04:42: In der römischen Kultur herrschte zudem ein allgemeiner Arkwohn gegenüber Menschen, die sich unter dem Schutz der Nacht trafen.

00:04:49: Zumindest teilweise scheint das Verbot nächtlicher Versammlungen eine Reaktion auf die Plebejaufstände gewesen zu sein, die das antike Rom zu diesem Zeitpunkt fast fünfzig Jahre lang erschütterten.

00:05:02: Subversive Elemente.

00:05:05: In den folgenden Jahrhunderten vergrößerte Rom sein Reich weit über die Grenzen der italienischen Halbinsel hinaus.

00:05:12: Nach dem Ersten, zweihundertvierundsechzig bis zweihundertundvierzig vor Christus und Zweiten punischen Krieg, Zweihundertachzehn bis Zweihunderteins, annektierte Rom Sizilien, Sardinien, Corsica und Spanien als Provinzen.

00:05:28: Mit dem Niedergang Catagos kamen bedeutende Gebiete in Nordafrika hinzu.

00:05:33: Die Ausdehnung des römischen Einflussbereichs führte zu einem Zustrom von Einwanderern in die Stadt selbst.

00:05:39: Viele von ihnen hatten andere religiöse Überzeugungen und Rituale als die eingesessene Bevölkerung.

00:05:46: Die Xenophobie nahm zu.

00:05:48: Feindseligkeit gegenüber den neuen Einwohnern äußerte sich in vielfältiger Form.

00:05:53: Im Jahr einhundertsechsundachtzig vor Christus beschuldigten Senatoren und hohe römische Magistrate Anhänger des Bakuskuls, der ursprünglich von einem griechischen Priester nach Süditalien eingeführt worden war, der Störung der öffentlichen Ordnung.

00:06:08: Die Bakanten wurden der Verschwörung wiederum in Form nächtlicher treffen und krimineller Handlungen wie Vergiftungen und Mord beschuldigt.

00:06:17: Es scheint wahrscheinlich, dass die Stigmatisierung der Bakus-Anhänger als vermeintlich konspirative Kriminelle ein rhetorischer Schachzug war.

00:06:25: Ähnlich wie die englischen Gewerkschaften in den Combination Acts des späten achzehnten Jahrhunderts als aufständische Kollektive dargestellt wurden.

00:06:33: So konnten die Anhänger des Bakus-Kuls als Gegner der Interessen des römischen Staates gebrannt markt, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und später mit einem Versammlungsverbot belegt werden.

00:06:44: Mit dieser Entscheidung wurden die Möglichkeiten der bakantischen Gruppen, sich in Tempeln, Wohn- oder Clubhäusern zu versammeln und ihre nächtlichen Rituale abzuhalten, stark eingeschränkt.

00:06:55: Nach Ansicht des Senats war damit die traditionelle römische Kultur und Ordnung bewahrt worden.

00:07:01: Für die wachsende Bevölkerung in Rom, im Gebiet des heutigen Italiens und in den Kolonien ergaben sich daraus jedoch allgemein striktere Einschränkungen ihrer alltäglichen Religionsausübung.

00:07:13: In den Folgejahren und vor allem zum Ende der Republik wurden die gesetzlichen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit weiter verschärft.

00:07:20: ¡Vierundsechzig vor Christus verbot der Senat auch die Treffen der sogenannten Kollegia!

00:07:25: Diese wurden nun als Gruppen angesehen, die in direktem Widerspruch zu den Interessen der Republik standen und handelten.

00:07:32: Nur noch einzelne Berufsgruppen wie Bauarbeiter und Bildhauer durften sich zu einem Kollegium zusammenschließen, doch mit zunehmenden politischen Unruhen wurden auch diese Rechte weiter eingeschränkt.

00:07:43: Dies erreichte nach Julius Cäsars Überquerung des Rubikon im Januar n.a.

00:07:48: vor Christus einen Höhepunkt.

00:07:51: Angesichts zahlreicher vorheriger Wahlen, bei denen die Loyalität und Unterstützung verschiedener Kollegia wichtig geworden waren, war sich César der Gefahr bewusst, dass derartige Gruppenprotest üben oder eine ernsthafte Opposition bilden könnten.

00:08:06: Als Diktator erließ er daher Gesetze, mit denen alle Vereinigungen außer den Ältesten und denen, die als zum öffentlichen Wohlbeitragend galten, verboten wurden.

00:08:17: Césars Adoptivsohn Octavian später Augustus, erneuerte dieses Verbot, nachdem er selbst Kaiser geworden war.

00:08:25: Wenn Gruppen und Versammlungen genehmigt wurden, dann meist nur mit direkter Erlaubnis des Kaisers.

00:08:31: Viele Vereinigungen dürften sich weiterhin versammelt haben, entweder heimlich oder indem sie sich als alte religiöse Gruppen ausgaben.

00:08:39: Doch die politische Führung behielt die Macht, Gruppen aufzulösen, wenn sie diese in irgendeiner Form als störend oder aufsässig ansah.

00:08:48: Eine lange Tradition.

00:08:51: Einschränkungen gegen Versammlungsfreiheit und Protest erfolgten sowohl direkt als auch indirekt, von der Vertreibung von Juden oder Isis-Anhängern aus der Stadt Rom unter Tiberius, im Jahr neunzehn bis zum Verbot der Kollegia in Alexandria, während der dortigen Spannungen zwischen Juden und Griechen.

00:09:09: Zwar erteilten die römischen Behörden weiterhin einzelne Genehmigungen für die Gründung legaler Gruppen, spätere Kaiser Vitrayan warnten jedoch vor den Gefahren, die von solchen Zusammenkünften ausgingen.

00:09:21: Er sah beispielsweise ein Problem bei Treffen von Feuerwehrleuten, die regelmäßig widerspenstig auftreten.

00:09:27: Obwohl viele Gruppen derartige Beschränkungen ignorierten, behielt sich der römische Staat das Recht vor, von ihm als illegal angesehene Versammlungen aufzulösen, seien es die politischen Proteste von Wagenlenkern in Konstantinopel oder eine Gruppe von Anhängern Jesu Christi in der Provinz Pontus et Bitunia.

00:09:46: So lässt sich zusammenfassen.

00:09:48: Die römischen Herrscher setzten die Versuche ihrer Bürgerinnen und Bürger, sich zu versammeln, zu organisieren und zu protestieren, nicht selten mit Verrat gleich.

00:09:58: Mehr als ein Tausend Fünfhundert Jahre sind seit dem Zerfall des weströmischen Reiches vergangen.

00:10:03: Dennoch finden sich ähnliche Muster bis heute wieder.

00:10:06: Damals wie heute protestierten Menschen für ihre Forderungen und Ansichten, Und damals wie heute stellen die Machthabenden einen solchen Ausdruck der Unzufriedenheit oft als illegal oder gar umstürzlerisch dar.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.