Die Wiener SPÖ spart bei den Falschen – von Magdalena Berger

Shownotes

Die Wiener SPÖ macht öffentlichen Verkehr teurer und kürzt bei Familien mit Kindern. Damit begräbt sie das Erbe des »Roten Wiens«.

Artikel vom 04. September 2025: https://jacobin.de/artikel/spoe-wien-markus-marterbauer-michael-ludwig-sparpolitik

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00:00:00: Die Wiener SPÖ spart bei den Falschen.

00:00:03: Die Wiener SPÖ macht öffentlichen Verkehr teurer und kürzt bei Familien mit Kindern.

00:00:08: Damit begrebt sie das Erbe des Roten Wiens.

00:00:12: Von Magdalena Berger.

00:00:15: In Österreich jagt eine kürzungspolitische Hiops-Botschaft die nächste.

00:00:19: Im Frühling präsentierte die Bundesregierung ihr Programm.

00:00:23: Die Abschaffung des Klimabonus, die Aussetzung der Anpassung von Familienleistungen an die Inflation, das Ende der Bildungskarenz, Die Liste ist lang und sie trifft vor allem die arbeitende Bevölkerung hart.

00:00:35: Wir haben das Geld nicht, sagte SPÖ-Finanzminister Markus Materbauer und erklärte den Sparzwang zum Gebot der Stunde.

00:00:42: Diese Woche hat auch die sozialdemokratisch regierte Stadt Wien ihren nächsten Beitrag zur Budgetsanierung verkündet.

00:00:49: Kürzungen bei der Mindestsicherung und teurere Öffes?

00:00:53: Künftig sollen Beiträge, die für das Wohnen zweckgewittmet sind, auch bei Kindern von der Mietbeihilfe abgezogen werden.

00:00:59: Aktuell ist bereits ein Viertel des Bezugs der Erwachsenen für das Wohnen vorgesehen und wird bei der Mietbeihilfe abgezogen.

00:01:06: Gleichzeitig werden WGs mit Familien gleichgestellt.

00:01:10: Wer bisher als Einzelperson in einer Wohngemeinschaft lebte, erhielt den vollen Betrag der Mindestsicherung.

00:01:16: Das soll sich künftig ändern.

00:01:18: Diese Kürzungswelle wurde schon Anfang der Woche mit Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr eingeleitet.

00:01:24: In Wien sind diese Einsparungen besonders bitter.

00:01:27: Weil hier viele große Familien, alleinerziehende, Menschen ohne Arbeit und nicht österreichische Staatsbürger leben, waren schon in den Jahren die Viener Bevölkerung Armuts gefährdet.

00:01:42: Das sind um acht Prozentpunkte mehr als im restlichen Österreich.

00:01:48: Sie werden von den Kürzungen besonders betroffen sein.

00:01:52: Dass die Sozialdemokratie gerade bei diesen Menschen sparen will, ist ein Armutszeugnis für eine Stadt, die sich seit Jahrzehnten als rote Bastion gegen das konservative Rest Österreich inszeniert, während sie das Erbe des roten Wiens politisch begrebt.

00:02:10: Gebrochene Versprechen.

00:02:14: Noch im Juli hatte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig erklärt, dass die Mindestsicherung das unterste soziale Netz und Kinderarmut für ihn inakzeptabel sei.

00:02:23: Noch im Februar hatte er kurz vor den Wienwahlen bekräftigt.

00:02:27: In Zeiten in denen die Teuerung die Haushalte stark belastet, setzen wir ein klares Zeichen.

00:02:32: Die dreihundertfünfundsechzig Euro-Jahreskarte der Wiener Linien bleibt.

00:02:37: Natürlich war am Ende nichts davon wahr.

00:02:40: Besonders die Kürzungen im Bereich der Mindestsicherung waren abzusehen.

00:02:44: Alle paar Monate rühmt sich der österreichische Boulevard damit, einen neuen Fall einer syrischen Großfamilie aufzudecken, die angeblich zu viel Sozialhilfe bekomme.

00:02:54: Im Sommer hier ging es um eine Familie mit sieben Kindern, die inklusive Mietbeihilfe – viertausendsechshundert Euro – bezieht.

00:03:03: Die Kronzeitung fand im Mai dieses Jahres sogar eine Familie mit elf Kindern, die sechstausend Euro Mindestsicherung erhielt.

00:03:11: Diese Fälle sind nicht repräsentativ, aber darum geht es auch gar nicht.

00:03:15: Mit eben dieser Skandalisierung werden Angriffe auf den Sozialstaat legitimiert.

00:03:20: Wenn die SPÖ sich als Gegenpol zur ÖVP inszenieren möchte, hält sie in solchen Fragen dagegen.

00:03:26: Dann erklärt etwa Sozialstadtrat Peter Hacker, dass er nicht wolle, dass in unserer Stadt Menschen in Existenzängsten leben.

00:03:34: Oder Michael Ludwig wirft der ÖVP vor, Politik auf dem Rücken der Kinder zu machen.

00:03:38: Aber wenn ein Sparpaket zu schnüren ist, sind eben diese Kinder die Ersten, die davon betroffen sind.

00:03:45: Dabei geht es nicht einmal um großes Summen.

00:03:47: Insgesamt sollen die aktuell verkündeten Einsparungen bei der Mindestsicherung nur zwanzig Millionen Euro jährlich bringen.

00:03:55: Für die Stadt Wien ist das nicht viel Geld, für Familien aber schon.

00:03:59: Laut Rechnung des Bürgermeisterbüros erhalten Familien pro Kind monatlich achtzig Euro weniger.

00:04:05: Das sind achtzig Euro weniger für Schulausflüge, für neue Turnschuhe, für die Stromrechnung am Ende des Monats.

00:04:13: Das ist das Gegenteil von einer Kindergrundsicherung, zu der sich Michael Ludwig noch letztes Jahr bekannte.

00:04:18: Von der Gleichstellung von WGs und Familien erwartet man sich fünf und siebzig Millionen Euro jährlich.

00:04:24: Gemeinsam mit dem erhöhten Schulungszuschlag, ein Bildungsbonus für Sozialhilfebezieher, die an längeren Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen des AMS teilnahm, der schon im Juni gestrichen wurde, sollen so einhundertfünfzehn Millionen Euro an Sozialleistungen eingespart werden.

00:04:41: Ähnlich wie die Bundesregierung entscheidet sich also auch das sozialdemokratische Wien, das Budget ausgabenseitig zu sanieren.

00:04:48: Die Öffis werden teurer.

00:04:51: Besonders bitter ist auch die Erhöhung der Preise im öffentlichen Verkehr.

00:04:55: Es gibt vielleicht kaum eine andere Maßnahme, die die Kosten der Budgetsanierung so deutlich auf den Schultern der arbeitenden Bevölkerung verteilt wie diese.

00:05:03: Rund achthundertdreißigtausend Wienerinnen und Wiener besaßen laut Wiener Linien Ende zweitausend vierundzwanzig Eine Jahreskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel.

00:05:14: Künftig sollen sie statt dreihundertfünfundsechzig Euro, vierhundertsechzig Euro für ein Jahresticket bezahlen.

00:05:22: Die Stadt begründet die Preiserhöhung mit den ebenfalls gestiegenen Kosten für das österreichweite Klimaticket.

00:05:28: Dieses kostet ab zweitausendsechsundzwanzig, fast achtundzwanzig Prozent mehr als bei seiner Einführung.

00:05:34: zweitausendundzwanzig, ein Prozentsatz, den Wien quasi deckungsgleich übernimmt.

00:05:39: Das Perfite daran ist, dass die höchste Tarifsteigerung wieder eine Gruppe betrifft, die besonders häufig unter der Grenze der Armutsgefährdung lebt.

00:05:47: Studierende, bisher zahlten sie seventy-fünf Euro im Semester und konnten sich im Juli und August eine Ferienmonatskarte für je neunundzwanzig Euro fünfzig Cent kaufen.

00:05:58: Künftig müssen sie ein Jahresticket für dreihundert bezahlen.

00:06:02: Das ist eine Preissteigerung von mehr als einundvierzig Prozent.

00:06:07: Zynisch ist, dass die Stadt dieser Erhöhung auch noch als Serviceleistung für Studierende verkauft.

00:06:12: Man habe mit dieser Aktion nämlich ein Anliegen vieler Studierender umgesetzt, da man jetzt nur noch eins statt vier Tickets im Jahr brauche.

00:06:22: Welches Rode Wien?

00:06:24: Die Wiener SPÖ hat immer davon profitiert, dass die meisten Leute von Linken bis hin zu Nicht-Rechts-Extremen halbwegs zufrieden mit ihrer Verwaltung der Stadt waren.

00:06:34: Das zeigte sich unter anderem daran, dass Michael Ludwig Bei der Wienwahl im April mit rund vierzig Prozent immer noch mit großem Abstand erster wurde, diese Zeit könnte jetzt vorbei sein.

00:06:46: Natürlich hatte die Partei schon in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Maßnahmen gegen die arbeitende Bevölkerung durchgesetzt.

00:06:53: Aber die Härte, mit der sie aktuell gegen Armuts und ausgrenzungsgefährdete Gruppen vorgeht, hat eine neue Qualität.

00:07:01: Auch wenn sie sich volkloristisch so gern darauf beruft.

00:07:04: Die SPÖ war schon vorher Lichtjahre vom Roten Wien der nineteen Hundertzwanziger, mit seinen Gemeindebauten, seinen öffentlichen Bädern und Sportanlagen für Arbeiter entfernt.

00:07:13: Jetzt hat sie es ganz begraben.

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