Lahmes Internet? Helmut Kohl ist schuld! – von Günter Regneri
Shownotes
Schon in den 1980ern war Deutschland bereit für Glasfaser – doch Helmut Kohl stoppte den Fortschritt, um gegen den »Rotfunk« die kulturelle Hegemonie wiederherzustellen. Der bis heute andauernde Digitalrückstand ist das Erbe dieses konservativen Kulturkampfs.
Artikel vom 26. Juli 2025: https://jacobin.de/artikel/internet-glasfaser-cdu-kohl-rotfunk-infrastruktur-computer-rechner
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00:00:00: Lames Internet?
00:00:01: Helmut Kohl ist schuld.
00:00:04: Schon in den neunzehnhundertachtiger Jahren war Deutschland bereit für Glasfaser.
00:00:08: Doch Helmut Kohl stoppte den Fortschritt, um gegen den Rotfunk die kulturelle Hegemonie wiederherzustellen.
00:00:15: Der bis heute andauernde Digitalrückstand ist das Erbe dieses konservativen Kulturkampfs.
00:00:21: Von Günther Regneri.
00:00:24: Die Bundesregierung hat ein Digitalministerium eingerichtet, das sich auch um die digitale Infrastruktur kümmern will und soll.
00:00:31: Im Koalitionsvertrag wurde dazu ein flächendeckender Glasfaserausbau bis in jede Mietwohnung verkündet.
00:00:38: Gehört also bald das langsame Internet in vielen ländlichen Gebieten der Vergangenheit an?
00:00:44: Können dann alle Menschen in diesem Land eine moderne digitale Infrastruktur auf Glasfaserbasis nutzen?
00:00:50: Das ist zu bezweifeln, denn gleichzeitig betonen die Koalitionäre, es gelte Markt vor Staat.
00:00:55: derselbe Markt, der wegen zu geringer Profitmargen den ländlichen Raum beim bisherigen Ausbau ignoriert hat.
00:01:02: Auf seinem Internetauftritt behauptet das neue Digitalministerium es sei kein Selbstzweck, sondern die Chance, die Transformation zu einem modernen, effizienten und digital handlungsfähigen Staat voranzutreiben.
00:01:14: Vor allem aber wolle man Vertrauen zurückgewinnen.
00:01:17: Aber wer hat dieses Vertrauen eigentlich wann verspielt?
00:01:21: Die Antwort mag überraschen, Helmut Kohl.
00:01:24: Als er im Oktober twohundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund Kurz gesagt, Helmut Kohl, two hundred eighty-two, verzichtete auf die Einführung einer damals bereits anerkannten, aber noch in den Kinderschuhen steckenden Zukunftstechnologie.
00:02:04: Die Folgen spüren wir bis heute.
00:02:06: Der Zugriff auf Breitbanddatenübertragung mittels Glasfaser lag zwei tausend vierundzwanzig im EU-Durchschnitt bei fast siebzig Prozent, in Deutschland dagegen unter vierzig Prozent und noch zwei tausendeinundzwanzig sogar bei gerade einmal knapp über fünfzehn Prozent.
00:02:22: Staatliches Pilotprojekte.
00:02:25: Bevor Helmut Kohl im Oktober twondundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund Im April,有一hundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund Kscheidle war zuversichtlich, dass in einer Pilotphase alle technischen Voraussetzungen geklärt und dann ab Ninzehntundundachzig zügig mit dem Aufbau begonnen werden könne.
00:03:26: Über einen Zeitraum von dreißig Jahren sollte dann jährlich ein Dreißigstel der alten Bundesrepublik komplett mit Glasfaser ausgestattet werden.
00:03:34: Ein ambitionierter, aber durchaus realistischer Plan, für den der Postminister einen Investitionsbedarf von drei Milliarden D-Mark pro Jahr kalkulierte.
00:03:43: Es wäre wahrscheinlich teurer geworden.
00:03:45: Die Glasfaser-Pilotprojekte, mit denen die sozialdemokratische Regierung ihre Zukunftsvision unterfütterte, hießen Big Phone und Big Fern und hatten ein Investitionsvolumen von Hundertfünfzig Millionen D-Mark.
00:03:58: Mit Big Phone, breitbandiges integriertes Glasfaser-Fernmelde-Ortsnetz, sollte in mehreren deutschen Großstädten die gleichzeitige digitale Übertragung von Telefongesprächen, BTX, Telefax, Telex Bildtelefonie und Computerdaten erprobt werden.
00:04:15: Technisch waren in begrenzter Kapazität weitere Datenübertragungsdienste möglich, etwa Radio- und Fernsehsignale.
00:04:22: Bigfern stellte ergänzend eine Glasfaserfernverbindung zwischen den Pilotprojekten in Hamburg und Hannover her.
00:04:29: In der alten Bundesrepublik waren solche Pilotprojekte für die Staatsbetriebe Bundespost und Bundesbahn üblich.
00:04:35: Die Staatsbetriebe bezahlten und testeten damit Technikmuster der deutschen Industrie, Identifizierten Probleme und ließen diese beseitigen, um nach Ablauf des Piloten der deutschen Industrie Großaufträge zu erteilen, die dann ein optimiertes Produkt massenhaft für Post oder Bahn herstellten.
00:04:51: Mittels Quoten wurden dabei auch diejenigen Firmen bedacht, deren Muster nicht ausgewählt worden war.
00:04:57: Gegenüber der Zeitschrift Computerwoche erklärte Scheidle, noch besteht die Chance, dass die Bundesrepublik auf dem Gebiet der optischen Nachrichtentechnik Und wir sprechen damit über das Kommunikationssystem der vielleicht nächsten fünf Jahrzehnte weltweit als konkurrenzfähiger Partner angesehen wird.
00:05:14: Allerdings ist sie verbunden mit der Herausforderung, gewaltige Anstrengungen auf sich nehmen und nicht unbeträchtliche Risiken eingehen zu müssen.
00:05:22: Risiken insofern als mit Bezug auf die Zeitvorstellungen eine wünschenswerte internationale Normierung kurzfristig gegebenenfalls nicht erreichbar ist und somit spätere Umentwicklungen unter Weltmarktaspekten nicht auszuschließen sind.
00:05:35: Die Aussage klang damals durchaus plausibel, war doch, dass heute noch angewandte optoelektronische Glasfaserübertragungsverfahren in Deutschland erst Mitte der nineteenhundertsechziger Jahre entwickelt wurden.
00:05:47: Der Physiker und AEG-Telefunkenmitarbeiter Manfred Birner hielt seit nineteenhundertsechzig das Patent darauf.
00:05:54: Mit ihrem Glasfaserprojekt hätte die Bundesregierung unter Helmut Schmidt also eine wirkliche Zukunftsinvestition anstoßen können und aus dem Postministerium das erste Digitalministerium gemacht.
00:06:07: Kohl gegen den Rotfunk Seit dem vierten Oktober, aber, hieß der Bundeskanzler Helmut Kohl und sein Postminister Christian Schwarzschilling.
00:06:19: Kohl's erste Regierungserklärung am dreizehnten Oktober, klingt wie hohen.
00:06:25: Seine Regierung wolle den Weg frei geben für die Anwendung moderner Techniken und die Entwicklung neuer Technologien, vor allem im Kommunikationswesen.
00:06:34: Glasfaser meinte er nicht damit.
00:06:36: Zwar konnten die bereits gestarteten Pilotprojekte noch erfolgreich beendet werden, doch danach kam nichts mehr.
00:06:43: Stattdessen wurde die Entwicklung dieser neuen digitalen Technologie vernachlässigt und eine veraltete analoge Technologie angewendet.
00:06:51: Breitbandverkabelung mittels kupferbasierter Koaxialkabel.
00:06:55: Zwar hätte das geplante Glasfasernetz die Übertragung von Fernsehen zusätzlich leisten können, gleichsam nebenbei, wie der Spiegel schon im Oktober twohneunzehntzehntzeig feststellte.
00:07:06: Es sei, aber erst um neunzehntzehntzehntzehntzeig einsatzbereit, nach Erprobung und Festlegung von Standards und Übertragungsprotokollen.
00:07:15: Da der neuen schwarz-gelben Regierung aber eine sofortige Verfügbarkeit wichtig war, wurden eben Kupferkabel für den Radio- und Fernsehempfang verlegt.
00:07:23: Aber warum wollte Kohl nicht warten?
00:07:25: Dahinter stand das Kalkül, mit einer zügigen Einführung eines privat wirtschaftlichen Fernsehens, den gesellschaftlichen Einfluss des sogenannten Rotfungs zu verringern.
00:07:35: Mit diesem politischen Kampfbegriff, der heute wieder bei der extremen politischen Rechten hoch im Kurs steht, wurden seit den neunzehnhundertsiebziger Jahren die angeblich linkslastigen Landesrundfunkanstalten innerhalb der ARD geschmät, zu vorderst der westdeutsche Rundfunk.
00:07:50: Besonders verärgerten die Unionsparteien die kritischen ARD-Politikmagazine, wie Panorama vom NDR und Monitor vom WDR.
00:07:59: Im Meinungskartell der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten sahen große Teile der CDU die Ursache für einen Teilweisenverlust der kulturellen Hegemonie, der bei der Bundestagswahl newtonhundertsechsundsiebzig für Kohls überraschende Niederlage gegen Helmut Schmidt geführt hatte.
00:08:16: Wenn es also nicht möglich war, eine Landesrundfunkanstalt so an die Kandare zu legen, wie es der CSU mit dem Bayerischen Rundfunk gelungen war, musste den öffentlichen rechtlichen Fernsehsendern eine private, konservativ ausgerichtete Konkurrenz entgegengestellt werden.
00:08:30: Da traf es sich gut, dass die mehrheitlich eher rechts eingestellten deutschen Zeitungsverleger gerne in die Fernsehbranche expandieren wollten und hierin auch von cdu-csu und fdp unterstützt wurden.
00:08:43: Das war rechtlich aber erst seit nineteenhundertundachtzig möglich, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Privatrundfunk in einem Urteil für grundsätzlich zulässig erklärte.
00:08:53: Aber auf einer gesetzlichen Grundlage, die die Meinungsvielfalt sichert.
00:08:57: Da die bis dahin existierenden Rundfunkfrequenzen alle belegt waren, benötigte das Privatfernsehen ein anderes Übertragungsmedium, etwa ein Breitbandkabelnetz.
00:09:07: Auch ließ Kohl seinen Postminister Kupferkabel vergraben.
00:09:10: Dafür erhöhte Schwarz-Schilling umgehend den Budget-Posten der Bundespost für Verkabelung auf eine Milliarde D-Mark.
00:09:17: Bereits Mitte nineteenhundertvierundachtzig monierte der Bundesrechnungshof, dass die Kosten völlig aus dem Ruder laufen würden.
00:09:24: Anstelle der veranschlagten dreizehn Komma fünf Milliarden D-Mark beliefen sie sich auf einundzwanzig Komma drei Milliarden D-Mark, wohlgemerkt für eine veraltete, weil analoge Technologie.
00:09:37: Das Abgleiten nach links verhindern.
00:09:41: Zuerst wurden bis nineteenhundertvierundachtzig zweitausendsechshundert Haushalte in Kohls Heimatstadt Ludwigshafen an ein kupfernes Kabelnetz angeschlossen, wo ab dem ersten Januar PKS seit nineteenhundertfünfundachtzig Sat.
00:09:54: Eins als erster Privatsender seine Fernsehsendungen ausstrahlen konnte.
00:09:59: An diesem Sender waren die deutschen Zeitungsverleger und über eine verdeckte Beteiligung der Medienunternehmer Leo Kirch beteiligt, ein Freund von Helmut Kohl.
00:10:09: Es folgten Kabelinseln in München, Dortmund und Westberlin.
00:10:13: In den folgenden Jahren, besonders durch den boomenden TV-Empfang über Satellit, bildeten sich zwei Medienkonzerne im Fernsehbereich heraus, die Kirchgruppe, unter anderem mit Sat.
00:10:24: I und Pro.
00:10:24: VII und die Bertelsmann-Gruppe mit den RTL-Sendern.
00:10:29: Beide waren politisch eher dem konservativen Lager zuzuordnen.
00:10:33: Gerade deshalb genossen sie die Unterstützung der Unionsparteien, wie eine Mitteilung von Edmund Stäuber an Franz-Josef Strauß aus dem Jahr nineteenhundertachtundachtzig zeigt.
00:10:44: Unsere Politik bezüglich RTL war darauf ausgerichtet, eine Anbindung von RTL an das konservative Lager zu sichern bzw.
00:10:52: ein Abgleiten von RTL nach links zu verhindern.
00:10:55: Dass diese Unterstützung bis heute auch in die andere Richtung funktioniert, können wir tagtäglich an der politischen Ausrichtung der Privat-Fernsehprogramme sehen.
00:11:04: Für Helmut Kohl zahlte sie sich auch piquiner aus.
00:11:07: Im Jahr nineteenhundertneunzig schlossen Kirch und Kohl einen Beratervertrag, die dem Ex-Bundeskanzler Kohl bis Frühjahr zwei tausend zwei eine Zahlung von sechshunderttausend D-Mark jährlich in zwölf gleichen Raten garantierte, ohne eine festgeschriebene Mindestleistung.
00:11:23: Es klingt wie ein schlechter Witz, dass heute ein CDU-Minister unter einem CDU-Kanzler einen Digitalisierungsrückstand beseitigen soll, den vor vier Jahrzehnten Helmut Kohl und sein CDU-Postminister überhaupt erst verschuldet haben.
00:11:37: Dabei ist die Erfolglosigkeit vorprogrammiert, denn der neue Digitalisierungsminister setzt dafür wieder einmal auf ein altes, ungeeignetes Instrument, den Markt.
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